Montag, 7. Juni 2010

meine Gedanken zur Toleranz

Ich lese immer wieder, eigentlich sogar sehr regelmäßig Blogs anderer Autoren und ab und an ärgere ich mich über die Haltung und Ansichten mancher dieser Autoren. Dieses Mal ging es soweit, dass ich mir überlegt hatte einen ziemlich deutlichen Kommentar abzugeben und klar zu machen, dass diese Meinung in meinen Augen ziemlich überrissen ist. Nun, ich habe den Kommentar nicht geschrieben sondern mich dazu entschlossen meine Gedanken hier einfach mal neutral in meinem Blog als Thema zu formulieren. Sicherlich ein ziemlich heißes Eisen und ich weiß, dass es bisher an jeder Stelle, an der ich über dieses Thema gestolpert bin zu ziemlich heftigen Diskussionen gekommen ist, die aber irgendwie dann doch wieder ziemlich bezeichnend für die Haltung eines großen Teils der Diskutierenden zu sein scheint. Das Thema läßt sich mit einem einzigen Wort beschreiben, ein Wort, das eigentlich dazu dienen sollte genau die großen Diskussionen und Probleme zu eliminieren aber scheinbar in Wahrheit das eigentliche Problem beschreibt/ist:

Toleranz

"Toleranz, auch Duldsamkeit, ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Gemeint ist damit heute häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung unterschiedlicher Individuen."
(de.wikipedia.org/wiki/Toleranz)

Toleranz ist immer ganz einfach wenn eine Mehrheit einer Minderheit ganz großzügig gegenüber sein kann ohne eigene Ideale, Anschauungen oder Denkweisen zu verletzen. Toleranz hört schlagartig immer dann auf wenn die zu tolerierende Minderheit in Bereiche eindringt, die der Mehrheit etwas Abweichen von den idealen, Anschauungen und Denkweisen abverlangt. Toleranz wird immer da gefordert wo eine Minderheit sich gegenüber einer Mehrheit durchsetzen will. Tja, und das zusammen bildet einen teilweise nicht zu lösenden Konflikt. Einerseits fordert die Minderheit völlig zurecht, dass auch ihre Belange toleriert werden; doch könnte es nicht auch sein, dass die Minderheit mal tolerieren könnte, dass die Mehrheit eben eine andere Meinung hat? Miese Situation. Beispiel? Volksabstimmung in der Schweiz: Minarettverbot mit einer klaren Ablehnung. Nun fordert die Minderheit, dass die Mehrheit sie doch gefälligst zu tolerieren hat. Könnte die Minderheit nicht ebenso tolerieren, dass die Mehrheit sich dagegen entschieden hat?

Interessanterweise gehöre ich ja in einem gewissen Bereich auch einer ziemlichen Minderheit an und würde mich natürlich sehr freuen wenn alle Menschen dieser Erde mich als genauso gleich und wichtig und toll ansehen würden wie sich selbst. Es wäre super wenn ich nicht immer ein gewisses Risiko hätte, mal an Menschen zu geraten, die mit mir, meinem Sein, meiner Art zu leben ein Problem haben könnten. Es wäre genial wenn mich alle Menschen einfach so tolerieren würden wie ich bin.

Ich weiß, dass sich manchen Menschen nun eben doch nicht ganz so einfach tun mit mir. Sei es meine Transsexualität oder möglicherweise auch meine Ehe mit einer Frau. Ja, es gibt solche Menschen, auch wenn ich in der glücklichen Lage bin mit solchen Menschen nicht zu tun zu haben, oder sie sich so geschickt von mir zurück gezogen haben, dass es mir nicht aufgefallen ist, was aber irgendwie wohl auch ein Zeichen wäre, dass da sowieso keine wirkliche Verbindung gewesen war. Nun, wenn es so ist, dann ist das für mich ok, auch wenn ich es schade finde, aber ich werde niemandem meine Person aufdrängen.

Und genau da liegt mein Ärgernis diese Tage. In manchen Texten lese ich immer wieder heraus, dass sie sich unglaublich darüber aufregen, dass sie nicht von der gesamten Menschheit als das akzeptiert, respektiert, toleriert werden was sie sind. Natürlich würde es viele "Probleme" lösen wenn alle Menschen sich gegenseitig einfach so akzeptieren würden wie sie nun mal eben sind, über die kleinen oder größeren Unterschiede hinwegsehen würden und einfach nur einen Menschen sehen würden.

Die Menschen sind nun einmal von Natur her Unterschiedlich. Hautfarbe, Statur, Geschlecht, Religion, x Merkmale in denen die Natur und die Kulturelle Entwicklung Unterschiede in die Menschheit eingebracht hat. In vielen Kulturen hat man viele dieser Unterschiede überwunden, in anderen Kulturen gibt es bis heute mächtige Differenzen. Und auch in "meinem" Thema gibt es viel Unverständnis und Ablehnung. Natürlich gefällt mir das nicht und ich versuche ein klein wenig auch mit meinem Blog dazu beizutragen, dass diese Ablehnung durch Unverständnis ein wenig kleiner wird. Aber ich verstehe auch, dass sich eben manche Menschen aufgrund diversester Gründe nun mal mit meinem Thema schwer tun. Ob das aus der Erziehung oder aus der Religion oder sonstwoher kommt spielt dabei keinen Unterschied. Vielfach ist es ja auch einfach nur die Problematik, dass sich die Menschen einfach mit dem Thema, das nun einmal nur eine kleine Minderheit an Menschen betrifft, noch niemals konfrontiert sahen.

Wie ging es denn uns Betroffenen selbst am Anfang unseres Weges? Wer bitte hat sich denn im dem Augenblick an dem uns an uns selbst etwas komisch/anders vorkam sofort als Transsexuell akzeptiert? Wer hat nicht mit dem Gedanken hantiert, dass das nicht sein kann, dass das unnatürlich ist, dass das nicht geht. Und wer hat aus mangelnder Toleranz der Tatsache dass es nun halt mal doch so ist nicht sogar über Suizid nachgedacht? Wie sollen wir es schaffen allen Menschen gegenüber aus dem Stand heraus tolerant zu sein, wenn wir uns zeitweise nicht einmal selbst toleriert haben? Wieso denken die Menschen, dass alle anderen direkt und ohne Probleme jedwede Andersartigkeit oder Denkweise zu 100% tolerieren können müssen?

Wie steht es mit uns selbst den Menschen, mit denen wir zu tun haben, die Toleranz entgegenzubringen, dass sie eben anders sind, andere Gefühle haben, eine andere Weltanschauung haben, andere Lebenserfahrungen und andere Sichtweisen haben? Wieso können wir nicht akzeptieren, dass andere Menschen eben nicht verstehen können was Transsexualität ist? Wieso können wir nicht tolerieren, dass ältere Menschen ihren Halt im Geschlechterbild Mann-Frau haben, dass religiösere Menschen am Leitbild Mann-Frau hängen und dass es eben Menschen gibt, die sich nicht vorstellen können, dass es ein dazwischen oder ein "im falschen Körper geboren sein" nun mal eben auch gibt? Wieso können wir nicht einfach tolerieren, dass es bei manchen Menschen länger geht uns zu verstehen und dass es Menschen gibt, die es einfach gar nicht hinbekommen werden?

"Toleranz. Zum Gedanken gelangen: »Obwohl ich glaube, Recht zu haben, und dass es die Wahrheit gibt, werde ich sie euch nicht aufzwingen«."
Albert Memmi, Exercice du bonheur, wikiquote.org/wiki/Toleranz

Ich fordere keine Toleranz von anderen Menschen, denn in dem Moment in dem ich sie fordere bin ich selbst intolerant. Die Menschen müssen selbst dahin kommen mich zu akzeptieren und zu tolerieren. Ich kann ihnen nur helfen indem ich bin wie ich bin und meinen Weg gehe. Wer es wünscht, den informiere ich soweit ich kann und soweit es sein darf. Wenn das nicht reicht, dann toleriere ich das. Ich gehe meinen Weg, andere gehen ihren Weg. Menschen, die meinen Weg kreuzen, vielleicht sogar ein Stückchen mit mir gehen erfreuen mich natürlich. Menschen die meinen Weg kreuzen, den meinen nicht verstehen und einen anderen Weg weitergehen wünsche ich alles gute auf dem ihren.

Es gibt Dinge auf der Welt, die können und dürfen niemals toleriert werden. Die Toleranz hat ihre Grenzen genau da, wo das Leben und die Würde anderer Menschen zerstört wird. Allerdings sind das auch wirklich heftige Dinge, die darunter fallen. Kindesmißbrauch, Massenvernichtung im 2. Weltkrieg und ähnliches. Klar ist immer die Frage wo zieht man die Grenze? Doch weder meine Würde, noch mein Leben wird zerstört, wenn ich auf einen Menschen treffe, der meine Lebensweise und meine Art nicht toleriert und vorzieht mit mir nichts mehr zu tun haben zu wollen. Ich muß nicht mit jedem Menschen gut können, ich kann gar nicht mit jedem Menschen gut können. Zu vielfältig sind die Menschen, zu groß die individuellen Unterschiede. Ich kann nicht alles verstehen was auf der Welt vor sich geht. Und mein Verstand ist viel zu klein um immer und überall über richtig oder falsch objektiv beurteilen zu können. Also bleibt mir eben nichts anderes übrig als die anderen Menschen in ihrem Sein zu tolerieren und mir als meine Wegbegleiter die zu suchen, die das selbe mit mir machen.

Bei allem Recht so toleriert zu werden wie ich bin und sein will, so muß ich ebenso tolerieren, dass manche das nicht können. Toleranz ist immer eine Gegenseitigkeit, nur wird das leider viel zu häufig vergessen!